Sina Frei gilt als die neue Überfliegerin im Mountainbike-Sport. Im Interview spricht die Newcomerin und Botschafterin der Destination Davos Klosters über ihre bislang grössten Erfolge, ihre nächsten Ziele und über ihre Trainingsbasis im Singletrail-Paradies der Alpen.
Zur Person
Sina Frei (1997) ist eine Schweizer Profi-Mountainbikerin. Bisherige Erfolge: Silber an den Olympischen Spielen in Tokio, Gold & Bronze an den UCI Weltmeisterschaften im Val di Sole, Italien sowie den Gesamtsieg am Cape Epic, Südafrika. Seit 2021 ist sie Botschafterin der Destination Davos Klosters.
Liebe Sina, 2021 hast du Silber an den Olympischen Spielen sowie Gold und Bronze an der WM gewonnen. Wir reiben uns noch immer die Augen. Wie geht es dir?
Ja, das ging schneller als geplant. Olympia war immer mein grosser Traum. Dass am entscheidenden Tag alles perfekt zusammenpasst und ich Silber hole, kam auch für mich überraschend. Nach dieser Medaille gab es kein Halten mehr. Ich hatte einen riesigen Motivationsschub und noch mehr Selbstvertrauen als zuvor. So startete ich beflügelt an der WM in Val di Sole.
Bereits in deinem dritten Jahr bei der Elite konntest du gleich solch grosse Erfolge feiern. Wie fühlst du dich?
Ich glaube, die wenigsten hatten mich auf dem Schirm. Als Newcomerin habe ich weiterhin grossen Respekt vor meinen Konkurrentinnen. Ich habe deshalb keinen Grund, abzuheben und mich wie ein Superstar zu fühlen.
Aber der Druck und die Erwartungen haben schon zugenommen?
Ich habe mir keinen Druck gemacht. Ich hatte meine Highlights mit drei Medaillen an Grossanlässen und musste mir selbst nichts mehr beweisen. Die Erwartungshaltung wird in der nächsten Saison aber bestimmt eine andere sein. Damit muss ich lernen, umzugehen.
Wie hast du das Cape Epic in Südafrika erlebt? Es gilt als das härteste Mehretappenrennen der Welt, das man als Duo bestreitet.
Das Cape Epic war für mich ganz besonders und ich bin froh, dass ich das Rennen gefahren bin. Es war ein grosses Abenteuer, das meine Freundschaft zu meiner Teampartnerin Laura Stigger nochmals vertieft hat. Wir sind einige Zeit vorher nach Südafrika gereist, um zu trainieren. Wir verstehen uns auch neben den Trails bestens und vertrauen uns blind.
Das war bestimmt ein wichtiger Teil des Erfolgsrezepts. Denn noch nie hat ein Team alle acht Streckenabschnitte gewonnen. Zudem wart ihr das jüngste Team, dass je in Südafrika reüssierte. Wie kam es dazu?
Das Specialized-Team war perfekt vorbereitet und wir hatten dadurch eine riesige Unterstützung. Das Team-Setup passte bestens. Eine Anekdote dazu: Es gab Leute neben der Strecke, die uns gesagt haben, wir sollen die Konkurrenz doch wenigstens eine Etappe gewinnen lassen. Aber wir sind nicht in die Wüste gereist, um Geschenke zu verteilen (lacht).
Wenn du ein persönliches Highlight benennen müsstest, welches wäre das?
Schwierig. Ich schwanke zwischen Olympiasilber und dem Weltmeistertitel im Short Track.
Warum gerade diese zwei?
Olympia findet nur alle vier Jahre statt und die Emotionen bei der Zieldurchfahrt waren unbeschreiblich. Den Short-Track-Titel an der WM deshalb, weil mir in der letzten Runde ein gewagtes Überholmanöver gelungen ist. Ich fuhr total am Limit und riskierte alles.
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Was ging dir bei der Olympia-Zieldurchfahrt durch den Kopf?
Ein intensives Glücksgefühl und eine riesige Erlösung zugleich. Dass ich diese Emotionen noch mit meinen Teamkolleginnen teilen konnte, war die Krönung. Wir haben nicht nur Olympia-Medaillen eingefahren, sondern auch ein neues Kapitel Schweizer Sportgeschichte geschrieben. Ich brauchte etwas Zeit, dies zu realisieren.
Es gibt immer Sportler, die nach einem solchen Grosserfolg in ein emotionales Loch fallen. Kennst du dieses Gefühl?
Glücklicherweise nicht. Ganz im Gegenteil. Ich war noch motivierter als zuvor. Ich sah schon die nächsten Ziele wie die WM und hatte gar keine Zeit, nachzudenken.
Was sind deine nächsten Ziele?
Weltcup-Siege, einen Podestplatz im Gesamtweltcup oder die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr. Ich bin noch jung und die Ziele gehen mir so schnell nicht aus.
Ist das Swiss Epic Graubünden 2022 ein Thema für dich?
Das kann ich noch nicht sagen, aber so wie es aussieht, eher nicht. Aber irgendwann werde ich zurückkehren, versprochen. Denn ich habe mit dem Swiss Epic Graubünden noch eine Rechnung offen. 2020 musst ich nach der ersten Etappe verletzungsbedingt aufgeben. Das kann ich so nicht stehenlassen (lacht).
Seit dem 1. Juni 2021 läuft die Partnerschaft mit Davos Klosters. Du warst davor schon regelmässig bei uns zu Gast. Was hat dich immer wieder hierhergeführt?
Die Antwort ist einfach: Es sind die abwechslungsreichen und natürlichen Singletrails, die Davos Klosters für Mountainbikerinnen und Mountainbiker so spannend machen. Zudem sind die Trails immer in einem tadellosen Zustand. Und dann sind da noch die Erinnerungen: Bereits als Kind war ich mit meinen Eltern regelmässig in Davos Klosters unterwegs. Das verbindet emotional. Ich kann mir deshalb kein besseres Trainingsgebiet vorstellen.
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Hat Davos Klosters in deiner bislang erfolgreichsten Saison eine Rolle gespielt?
Definitiv. Ich habe einen Teil meiner Saisonvorbereitung hier absolviert. Die abwechslungsreichen Trails waren sehr motivierend und ich konnte mich in den Trainings auf unterschiedliche Begebenheiten vorbereiten. Das hat mir sehr viel Spass bereitet – und Spass ist einer der wichtigsten Trainingsfaktoren, insbesondere beim Biken.
Dein Trail-Geheimtipp in Davos Klosters?
Alps Epic Trail Davos. Nur leider ist der längst kein Geheimtipp mehr. Im Ernst: Dieser Trail ist wirklich einzigartig. Definitiv etwas vom Schönsten, was der Alpenraum in Sachen Singletrails zu bieten hat.
Was zeichnet ihn aus?
Mit rund 40 Kilometern ist er sehr lang und das Panorama auf dem Weg vom Jakobshorn nach Filisur ist einmalig. Der Alps Epic Trail Davos ist ein hundertprozentiger Mountainbike-Trail mit allem, was es braucht: Wurzeln, Steine und Kurven. Zudem verbindet er die Naturschönheit mit dem Mountainbike-Sport. Genau so, wie ich es liebe!
Ein Thema in den Bergen ist die Co-Existenz zwischen Wanderern und Bikern – wie nimmst du dies wahr?
Ich finde es gut, dass in Graubünden Mountainbiker die Wanderwege benutzen dürfen. Wenn beide Parteien Rücksicht nehmen und wir Biker jeweils abbremsen und noch ein freundliches «Grüezi» hinzufügen, schätzen das die Wanderer. Diese Erfahrung habe ich gemacht.
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Hast du negative Erfahrungen gemacht?
Das kam vor – aber solange ich selbst freundlich und rücksichtsvoll bin, muss ich mir nichts vorwerfen lassen.
Wirst du manchmal erkannt auf den Trails?
Ab und zu. Meistens feuern mich die Leute unterwegs mit einem «Hopp!» an.
Wie viel Zeit verbringst du in Davos Klosters?
Wann immer möglich. Vorausgesetzt, dass das Wetter mitmacht und kein Schnee liegt. Und zwischendurch während den Rennpausen. Davos Klosters ist für mich nicht nur eine optimale Trainingsbasis, sondern auch ein Ort, um Kraft zu tanken.
Zum Schluss: E-Bikes kommen immer mehr auf. Wie stehst du als Profi-Mountainbikerin dazu?
Ganz ehrlich? Ich habe ebenfalls eines. Ich finde ein E-Bike praktisch, wenn ich am Abend noch eine gemütliche Runde drehen möchte. Damit kann ich in der gleichen Zeit gut das Doppelte zurücklegen. Der Trainingseffekt bleibt übrigens auch auf einem E-Bike nicht aus.